Der letzte Artikel Wie prägten Frühchristentum, Mittelalter und fremde Kulturen das Land um Bambarone La Masseria?, hat aufgezeigt, wie sehr diese Zeit ihre Spuren in Apulien hinterlassen hat.
Nach der Krise des 14. Jahrhunderts manifestierte sich mit der militärischen Expansion des Osmanischen Reichs bis auf den Balkan eine neue und langanhaltende Bedrohung für die Küstengebiete Apuliens. Mit der Eroberung Konstantinopels 1453 durch Sultan Mehmed II. war das Ende des byzantinischen Reichs besiegelt und eine neue Großmacht stritt mit den italienischen Republiken Venedig und Genua, dem Kirchenstaat und dem Malteserorden um die wirtschaftliche und politische Vormachtstellung im Mittelmeer.
Zum Ende des 14. Jahrhunderts fiel das serbische Makedonien incl. der heute albanischen Küste sowie Bulgarien an das Osmanische Reich, dieses wurde nun erstmalig zum direkten Nachbarn der europäischen Reiche. 1480 wurde Otranto von den Osmanen angegriffen und zerstört. Obwohl die Spanier ihre Herrschaft bereits im Jahr danach wieder restaurierten, blieben die Küsten Apuliens wie alle Küsten des westlichen Mittelmeeres im 15. und 16. Jahrhundert äußerst gefährdet durch die ständigen Überfälle osmanischer und berberischer Seeräuber.
Ein noch heute sichtbares Zeichen der enormen Bedrohungslage sind die zahlreichen Überreste von Befestigungen und Wachtürmen entlang der apulischen Küste aus dieser Zeit. Häufig in Sichtweite voneinander errichtet, konnten sie beim Herannahen feindlicher Schiffe entsprechende Signale weiter geben. Die Feldzüge Kaiser Karls V. in Tunis um 1535 konnten für eine gewisse Entlastung sorgen, die Vormachtstellung in Nordafrika behaupteten jedoch die Osmanen.
Den Grundstein für die bis heute typische Modellierung der Region legte die Übertragung von königlichem Landbesitz 1566 in die Hände der städtischen Kommunen, die das Land dann relativ kleinteilig verpachteten. Hungersnöte während der kleinen Eiszeit auf der einen Seite und eine wieder angewachsene Bevölkerung auf der anderen Seite führten im 16. Jh. zu einem gewissen Änderungsdruck. Die landwirtschaftliche Produktion musste gegenüber der Weidewirtschaft deutlich gesteigert werden, eine mögliche Eigenversorgung wurde notwendiger denn je.
Die Konzentration der bäuerlichen Bevölkerung in den befestigten Städten begann nun aufzuweichen, mehr und mehr lassen sich Bauern dauerhaft außerhalb der Stadtmauern nieder und begründen autarke Bauernhöfe, die sich sowohl der Tierzucht, dem Oliven- oder dem Weinanbau, dem Anbau von Getreide, Hülsenfrüchten, Obst- und Zitrusbäumen widmeten. Aus dieser Zeit stammen die ältesten bis heute erhaltenen Masserien, die lose verteilt das Land zusammen mit ihren jahrhundertealten Olivenbäumen prägen.
Die im 16. Jahrhundert noch immer präsente ständige Bedrohung seitens der Meeresküsten findet seinen Niederschlag auch in der Bauart der Masserien jener Zeit. Hier wurden die Bauernhöfe burgartig befestigt, die gesamte Anlage einschließlich der Viehhöfe, Lagerräume und Ölmühlen wurde von hohen Mauern eingeschlossen. Eine einzige Treppe oder sogar Zugbrücke diente als gut zu verteidigender Zugang zu den Wohnräumen im Obergeschoss, oftmals von direkt darüber gelegenen Schießscharten oder Öffnungen zum Ausgießen von heißem Öl geschützt. Große Fensteröffnungen sucht man vergebens, neben dem Schutz vor der brennenden Sonne wurden Maueröffnungen so weit wie möglich reduziert und mit starken Gittern gesichert. Einige Masserien in der Nähe der Küsten weisen auch Turmbauten auf, um jederzeit genügend Ausschau halten zu können. Manche Masserien sind auch als Aus- oder Anbauten einstiger Wehrtürme entstanden.
Schöne Masserien in der Umgebung von Bambarone La Masseria:
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Die größten Ländereien und Gutshöfe besaßen jedoch insbesondere im Umkreis von Fasano und Monopoli nach wie vor die kirchlichen Orden, besonders die Malteserritter, welche ab dem 14. Jh. als Lehnsherren Fasano beherrschten. Im 11. Jh. als Johanniterorden in Jerusalem gegründet, wandelte er sich nach dem Ersten Kreuzzug von einem Hospitaliterorden, der sich um Kranke und Bedürftige kümmert, zu einem geistlichen Ritterorden mit der Hauptzielsetzung, den Kampf gegen „Ungläubige“ zu führen. Ab 1358 übernahmen sie die ehemalige Benediktinerabtei Santo Stefano (vollständig erhalten, bei Monopoli) als ihren Hauptsitz und waren für Jahrhunderte für den Küstenschutz gegen Piraten und Sklavenräuber zuständig. Außerdem sorgten sie für das An- und Ablanden der Pilger, die sich in Richtung des Heiligen Landes aufmachten. Bis sie unter der napoleonischen Herrschaft zu Beginn des 19. Jh. konfisziert wurden, erstreckten sich ihre Ländereien in Apulien von Venosa bis Trani, vom Gargano bis nach Lecce und Otranto. Ein erfolgreicher Ritter wurde mit einer Komturei (einem Verwaltungsbezirk des Ordens) belohnt, die großzügige Einnahmen verschaffte. Zeugen des Reichtums und des hohen Ansehens der Malteserritter finden sich in dieser Region viele, Fasano war ab dem 17.Jh. sogar Hauptsitz des Ordens. Das heutige Rathaus geht in seinen Ursprüngen auf die ehemalige imposante Residenz der Malteserritter zurück, bevor es 1897 sein heutiges Aussehen bekam.
Eine weitere, wirklich einzigartige Besonderheit in der Landschaft Apuliens hat ebenfalls Gründe, die mit den Feudalbesitzern und der Steuergesetzgebung der fremden Herrscher zu tun hatten. Alberobello, heute Unesco-Weltkulturerbe – ist die weltweit einzige Stadt, die als Trulli-Stadt entstanden ist. Diese Trulli – reine Trockenmauerbauten mit einem kegelförmigen Dach – findet man in einfacher Form bis heute auf vielen Feldern und Olivenhainen. Sie dienten als Schuppen und Stall und waren schnell errichtete Bauten aus den Steinen, von denen man die Felder befreien musste.
Das Gebiet von Alberobello, damals Selva genannt, bekam der Graf von Conversano im 15. Jh. als Dank für seinen Kampf gegen die Osmanen geschenkt. Das Land war bewaldet und unbesiedelt, die Grafen schickten Bauern dorthin, um das Land urbar zu machen. 1550 erteilte ihnen der amtierende Graf die Erlaubnis, dort Steinbauten zu errichten, jedoch ohne Mörtel und Kalk. Hintergrund war die Umgehung von Steuern: jede neue städtische Siedlung bedurfte damals der Zustimmung des Königshauses Neapel und zwar gegen Zahlung von Steuern. Um diese zu umgehen, verlangten die Grafen von Conversano von den Bewohnern, ihre Bauten im Falle einer königlichen Inspektion jederzeit schnellstens wieder abreißen zu können. Erst 1797 wurde Alberobello per königlichem Dekret eine Stadt und von den Auflagen befreit. Die Besonderheit von Alberobello ist also, dass hier die Trulli gezwungenermaßen als Behausungen der Menschen errichtet wurden, dicht an dicht.
Weil diese Bauweise und Form in Europa wirklich so einzigartig ist, gehen wir hier kurz darauf ein: ohne Fundament wurden die Trulli direkt auf dem felsigen Untergrund errichtet. Grob bearbeitete Steinblöcke aus der Gegend werden zweischalig, mit einer Füllung aus kleineren Steinen und Erde zu einer dicken Trockenmauer nach und nach aufgeschichtet, ohne jeden Mörtel. Das kegelförmige Dach wurde innen durch konisch zugeschnittene Steine aufgerichtet und außen durch größere, flache Platten regendicht abgedeckt. Außen führte eine spiralförmige schmale Treppe bis aufs Dach. Bis zu ihrer Legalisierung waren diese Trulli sehr spartanisch, höchstens mit einer kleinen Fensteraussparung und einem Kamin, mehr lohnte sich einfach nicht.
Die Wände wurden innen und außen weiß getüncht, auf den Dachplatten gemalte Symbolen sollten das Böse abwehren. Das Regenwasser wurde in einer in den Boden gegrabenen Zisterne gesammelt. Wenn die Familie wuchs, baute man einfach einen weiteren Trullo an, so entstanden die heute auch außerhalb Alberobellos noch existierenden Trullikomplexe. Woher die Bauweise kam, ist umstritten: sie könnte ihren Ursprung im Norden Mesopotamiens haben (heutige Türkei) wie auch eine rein lokale Erfindung, die sich spontan entwickelte. Jedenfalls geben sie der apulischen Landschaft etwas Märchenhaftes und beweisen den Einfallsreichtum ihrer Erbauer einerseits und ihre archaische Genügsamkeit in Verbindung mit jahrhundertelanger bitterer Armut auf der anderen Seite.
https://www.inpugliatuttolanno.it/in-puglia/i-trulli-di-valle-ditria-tra-miti-e-realta/
Im letzten Artikel unserer Blog-Reihe verfolgen wir den steinigen Weg Apuliens in die Zeit von Industrialisierung und Moderne: Wie erlebten die Menschen die Moderne in der Region von Bambarone La Masseria?
Kein Foto und keine Beschreibung kann den Zauber ersetzen, den die Landschaft Apuliens mit ihren so einzigartigen und uralten Zeugnissen der Geschichte ausstrahlt. Erkunden Sie die Orte, die mit ihren Trulli-Bauten an den Zauberer von Oz erinnern.
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